Halte mich, bitte, bitte, halte mich

Ich habe nie wirklich erfahren was es bedeutet gehalten zu werden. Es gab in meinem Leben niemanden der sich wahrhaftig dafür interessiert hätte was sich in dem Menschen „Isabell“ abspielt. Was sie empfindet oder warum sie das Verhalten zeigt, das sie eben zeigt? Dies läuft exakt so weiter, in der Erziehung, im Kindergarten, in der Schule und letzten Endes im Beruf. Hör auf zu hinterfragen und beginne endlich zu funktionieren!!!!

Niemand wollte meine Verzweiflung sehen. Meinen Schmerz der sich durch mich hindurch fraß. Diese Leere. Diese lähmende Einsamkeit. Ich war getrennt, abgeschnitten vom Leben. Eine Einzelkämpferin die sich beweisen musste oder wollte, dass sie mit all den anderen Menschen die es um sie herum gab, nichts zu tun haben wollte. Denn auf sie war aus ihren Augen eh kein Verlass außer irgendwann fallen gelassen und verlassen zu werden.

Ich differenzierte nicht mehr zwischen damals und heute. Ich schaufelte Kelle für Kelle mein eigenes Grab ohne mir dessen bewusst zu sein, dass der Feind nicht im Außen existiert sondern in mir und ich in meiner Vergangenheit feststecke. Anstatt die Chancen zu nutzen, die mir das Leben bietet, um neue wundervolle Menschen kennen zu lernen, wiederholte sich alles immer und immer wieder. So gab es wenige Menschen die mir spiegelten, dass ich gut und richtig bin so wie ich bin und wenn ich darüber nachdenke war es eh egal, da mich dies innerlich nicht erreicht hätte, weil ich davon überzeugt war „wertlos und nicht liebenswert“ zu sein.

Nein, ich lief weiter im Hamsterrad des Leisten müssen’s. Des etwas sein zu müssen, um die Berechtigung zu haben existieren zu dürfen aber das Gefühle, welches ich mir herbei ersehnte kam nie. Nicht nach der Ausbildung, nicht nach der Hochschulreife, nicht nach dem Studium, nicht nach der Hochzeit und nicht nachdem wir unser erstes Kind bekommen haben.

Die Gefühle saßen auf mir, sie klebten und verfolgten mich auf Schritt und Tritt, bis ich irgendwann nicht mehr konnte, nicht mehr wollte. Und dann bliebt ich stehen, drehte mich um und schaute ihnen direkt ins Gesicht. Da war sie also meine Angst, meine Wut, meine Trauer, mein Schmerz.

Hallo meine Begleiter, meine Gefährten, meine Freunde. Nun stehe ich da und schaue euch an. Und je mehr ich euch ansehe, umso mehr beginnt sich langsam eine Verbundenheit herzustellen zwischen dem was war und dem wovor ich versucht habe zu fliehen. Wovon ich dachte, dass dies alles ich sei aber niemals war und dennoch diese Angst und Scham vor mir selbst empfand, dieser Mensch sein zu können.

Ich war eine Schauspielerin, ein Mensch der seine Rolle irgendwann akzeptiert und eingenommen hat, um endlich Ruhe zu finden. Ruhe vor der dem Kampf in meinem Inneren von dem was ich wahrnahm und das was mir als Wahrheit von außen als wahr suggeriert wurde. Ich hielt diesem ganzen Stress nicht mehr stand und landete in der Magersucht.

Und genau da, Starb ein Teil in mir. Ein Teil der so lange für sich gekämpft hat. Der einfach nur gesehen, gehört und geliebt werden wollte. Der nicht verstanden hat, warum oder immer noch nicht versteht weshalb Menschen zu ihren eigenen Kindern so grausam sein können? Wie wäre es denn mit einer Marionette? Ja, ich weiß über die Ursachen des Traumas Bescheid und mein Kopf kann alles erklären aber mein Gefühl. Der Schmerz der Wertlosigkeit stampft immer wieder durch mein Leben.

„Ich bin es nicht wert dass….., darf ich das? Darf ich Grenzen setzen? Darf ich für mich einstehen? Darf ich für mich sorgen? Darf ich zu mir stehen? Darf ich sagen was ich fühle und denke auch wenn dies anderen Menschen weh tun könnte? Bin ich dann immer noch wertvoll? Bin ich für mich in meinem Inneren Wertesystem ein liebevoller Mensch, wenn ich dies tue?“

Gefühle fließen durch meinen Körper hindurch. Tränen bahnen sich einen Weg an die Oberfläche und ich lasse es zu. Ich fühle dieses Grauen, diese Erkenntnis, diese Wahrheit der Wertlosigkeit, die ich als Lüge endlich enttarnen konnte.

Und nun bin ich an dem Punkt angelegt mich selbst halten zu können. Sich selbst seiner inneren Wahrheit zu stellen. Dann brauche ich nicht mehr dich, der mich hält und aushält sondern ich mich. Die sich selbst halten kann und wenn ich mich selbst halten kann, habe ich immer weniger Angst vor den Gefühlen die ich verdrängen musste weil mir nie jemand beigebracht hat wie ich mit diesen umgehen kann.

Ich hoffe, dass meine Kinder fühlen können was ich hier versuche in Worten auszudrücken.

Ich sehe DICH ! Dich, ja genau du! In deiner Reinheit, deiner Schönheit, deiner Individualität, deiner Fehler, die dich zu dem machen was du bist. Ein Mensch der herauszufinden versucht wie das Leben funktioniert? Wie leben geht?

Wut, Trauer, Angst sind Gefühle wie alle anderen auch. Du darfst schwach sein, du darfst bedürftig sein, du darfst auch mal die Kontrolle verlieren, wenn ich mir meiner selbst bewusst bin. Denn dann bin ich die Ruhe im Sturm, der Rettungsring oder das Licht des Leuchtturms. Dann sehe ich deine Not und fühle mit dir ohne an mir selbst zu zweifeln. Denn ein Streit oder ein Konflikt unter erwachsenen Menschen ist nichts anderes als eine Zeitreise in eine Welt die schon lange nicht mehr existiert aber die sich für dich immer noch als wahr und reale anfühlt.

Ich steige aus, ich will dieses Spiel der Projektion nicht mehr spielen.

Es darf nun langsam und Schritt für Schritt Ruhe einkehren. Frieden und Stille in mir. Ganz alleine nur für mich.

4 Kommentare zu „Halte mich, bitte, bitte, halte mich

  1. Vielleicht musste man alles erleben, was man erlebte, um der Mensch zu werden, der man ist.

    Das sag ich mir manchmal, wenn ich an meine Kindheit zurück denke und dann kann ich sie annehmen als einen Teil von mir. Ist vielleicht auch wieder nur leicht gesagt .. Sorry ❤

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    1. Ich verstehe sehr gut was du meinst. Lange Zeit lief ich umher ohne zu verstehen was hier passiert, warum ich so handle wie ich eben handle. Ich konnte es nicht verstehen oder nachvollziehen und habe mich am Ende für meine mangelnde Selbstregulation oder die Sanktionen geschämt.

      Eltern haben die Angewohnheit ihren eigenen Mangel auf die Kinder zu übertragen und diese dann dafür zu sanktionieren. Egal, je mehr Wissen und Verständnis ich für mich aufbringen kann umso mehr kann ich für den Menschen der ich einst war Empathie empfinden. Ja meine Kindheit ist vorbei und dennoch gibt es die Möglichkeit mir selbst die Eltern sein zu können die ich mir gewünscht und die ich gebraucht hätte. Den Sinn des Lebens werden wir nie wirklich verstehen, vielleicht am Schluss und so lange sammle ich die ganzen Puzzleteile bis sie sich am Ende zusammen fügen.

      Und ja jedes absolut jeder hat seine Geschichte so wie du es ebenso erlebt hast. Mir ging es ähnlich und ich muss, wenn ich ganz ehrlich bin, sagen, dass es sich sogar befreiend anfühlt in ein neues Leben starten zu können ohne den Rucksack der Familie mit sich schleppen zu müssen. Die sein zu können die ich bin ohne die Rolle die man mir oder ich mir selbst aufgrund der Dynamiken, angenommen und erfüllt habe. Ich Bündel meine Energie für die wahrhaft wichtigen Dinge im Leben und das ist nun mal meine Familie und meine eigene Heilung.

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  2. PS: Wir waren vier Brüder, die nicht sexuell, sondern emotional missbraucht wurden, um uns gegeneinander auszuspielen. Ich bin der Älteste, der ein Jahr nach mir kam ist schon an Krebs verstorben, wir drei anderen sind uns spinnefeind, leider.

    Bei der Beerdigung unserer Mutter hab ich nochmal versucht, auf meine zwei verbliebenen Brüder zuzugehen, aber umsonst. Das Wasser ist zu tief.

    So hab ich von meiner Familie innerlich Abschied genommen: Ich habe keine Familie mehr. Das mag grausam klingen, aber einen anderen Weg gibt es für mich leider nicht.

    Soviel, um dir mal zu zeigen, dass andere Familien auch nicht trautes Heim sind ..

    Doch mir gehts gut. Hab eine neue Familie in unsterblicher Freundschaft gefunden und das zählt für mich 🙂

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  3. Lieber Jemand,
    ich verstehe nicht was du mir mit deinem Kommentar sagen möchtest? Ich fühle deine Angst aber ich kann mit deine Aussage absolut nichts anfangen. Des Weiteren schaffe ich es nicht mit meinem Text in Einklang zu bringen.

    Vielleicht hast du Lust es mir auf „deutsch“ erklären zu wollen.

    Ich bin für alles offen

    Vielen Dank

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