
Ganz ehrlich, nö überhaupt nicht. Auch wenn ich weiß, dass dies bei unseren Jungs auf uns zukommen wird.
Bevor ich Kinder hatte hörte ich oft Sätze die lauteten „warte mal ab bis du Kinder hast, dann kannst du verstehen wie anstrengend diese sein können.“ Seit ich Kinder habe höre ich „ ja warte nur ab bis deine Kinder mal mit dir abrechnen werden.“
Ja was ist dann? Was sollte dann passieren, frage ich mich?
Ich mache Fehler, viele Fehler und das jeden Tag. Bin grenzüberschreitend und gewaltvoll wenn ich meine Kinder anschreie, sie einfach hoch nehme, sie weg schicke, ihnen etwas verbiete was sie so gerne gehabt hätten, wenn ich sie am Arm packe, weil ich gerade absolut keine Geduld mehr habe. Ja das passiert mir nicht jeden Tag aber doch immer mal wieder und dann entschuldige ich mich bei ihnen. Sage, dass es mir leid tut. Übernehme Verantwortung für mein übergriffiges Handeln und das tut innerlich sehr weh. Du hast recht mein Kind und ich bin gerade einfach nur überfordert von mir selbst und komme mit deiner Form von Wut nicht klar. Aber das ist alleine meine Baustelle.
Hier muss ich mir überlegen was ich tun könnte damit du mir vor lauter Wut nicht noch mehr Haare raus reißt weil du überhaupt keine Lust hast in die Trage zu kommen sondern noch länger am Traktor spielen willst. Ich aber auf die Uhr schaue und weiß, dass es schon sehr spät ist und wir heim müssen um Mittagessen zu kochen. Zusätzlich steht dein großer Bruder noch daneben und brüllt mich an, dass ich dich endlich aus der Trage nehmen soll weil du selbst laufen möchtest. „Ahhhh“ es ist mir alles zu viel, ich will nur noch weg und heim. Ich laufe und spüre die Wut in mir. Du bist mittlerweile ruhig geworden und dein großer Bruder läuft schimpfen hinter her. Ich atme und atme und atme. Spüre all die Überforderung die meinen Körper flutet, ich meinte es doch nur gut und wollte es richtig machen. Es war doch so schön bis gerade. Die Stelle an der du mir die Haare ausgerissen hast tut immer noch weh. Wie kann in einem kleinen Menschen so viel Wut stecken und warum haben wir gleich zwei so emotionale Jungs? Denke ich mir.
Ich kenne dich doch und nun kommt mir auch die Lösung. Ich muss dich am Boden begleiten. Hätte ich mir nur fünf Minuten genommen dich auf der Wiese in meinem Arm hätte austoben lassen wäre absolut nichts passiert und ich wäre nicht auf dich sauer geworden und du hättest mir nicht weh tun müssen.
Warum ich das erzähle? Weil es kein richtig und kein falsch gibt. Es gibt einfach nur Verhaltensweisen die mehr zu einer harmonischen Beziehung beitragen und welche die der Beziehung schaden. Das wichtigste ist, dass du nach Konflikten erkennst wie viel du dazu beigetragen hast und dich dann bei deinem Kind zu entschuldigen.
Also je mehr du bei dir und bei deinem eigenen inneren Mitgefühl sein und bleiben kannst umso weniger wird das Außen für dich gefährlich sein. Das bedeutet, wenn ich mein Kind anschreie und es zurück schreit ist das Verhalten nicht unverschämt sondern eine Spiegelung meiner eigenen Wut und Sturheit. Und wenn dies nicht der Fall ist, weiß ich dass mein Kind gerade in großer Not ist und mich braucht um seine Gefühle verstehen und regulieren zu lernen.
Heute früh führten mein großer Sohn(bald4) und ich Gespräche über unsere Gefühle. Er entschuldigte sich nochmals aus dem nichts heraus für das kaputt machen einer Tischplatte, die mitten auf einer Wiese neben einem Holzstapel steht, welche vom Regen eh bereits so durchnässt war, dass sie ihn fast dazu einlud den Finger durch die durchweichte Pappe zu stecken. Damals habe ich ihn zurecht gewiesen, dass dies nicht geht. Dinge von anderen Menschen kaputt zu machen aber auch nur weil ich schlecht gelaunt war.
Jetzt sagte ich, „ist nicht schlimm. Ich weiß, dass dir das sehr leid tut.“ „weißt du Mama es gibt gute und blöde Gefühle“, sagte er. „ was meinst du damit?“ fragte ich nach. „ Ja wenn ich so wütend werde, das ist blöd“ „Kannst du mir sagen, was daran blöd ist?“ „Ich schreie dann und tu dir weh oder Matti oder Papa.“ „und das fühlt sich für dich blöd an?“ frage ich nach. „Ja, weil ich will das nicht.“ Ich stelle mich vor ihn gehe auf Augenhöhe und sage „das ist mir bewusst, dass du das nicht willst mein Schatz. Schau mal ich bin deine Mama und schon so groß und auch ich werde manchmal so richtig wütend, dass ich Dinge sage und tu die überhaupt nicht in Ordnung sind. Da können wir beide noch richtig viel lernen. Aber weißt du was? Ich vertraue darauf, dass wir das irgendwann hinbekommen und Wut ist auch wichtig.“ Wir laufen weiter und ich sage zu dir „ Es ist so, damit du mir sagen kannst was du magst und was du nicht magst, brauchen wir diese Gefühle. Wenn du kein Gemüse magst ist es wichtig, dass du das sagst oder wenn du nicht willst, dass andere mit deinen Spielsachen spielen, braucht es manchmal auch Wut, dass du sagen kannst, das brauche ich gerade. Wut ist nicht nur schlecht sondern auch wichtig.“ „ok wichtig ja, Mama ich mag auch gar kein Gemüse.“ „ Stimmt J. und das weiß ich.“
Es geht mir immer um Beziehung und niemals ums Recht haben oder darum dich zu verbessern. Du lebst jetzt in deiner Welt und die will ich dir nicht kaputt machen. Du lernst jeden Tag ganz von alleine immer ein kleines bisschen dazu. Wenn ich mich nun einmischen würde, würde ich dir die Freude am intrinsischen Lernen zerstören. Lieber stelle ich Fragen und bringe dich dadurch zusätzlich zum Nachdenken.
Ich sehe dich und du siehst mich und wir schauen wie wir zwei auf richtig coole Lösungen kommen, damit wir alle unsere Bedürfnisse irgendwie befrieden können. Manchmal klappt dies und manchmal nicht. Aber ich würde niemals wollen, dass meine Kinder funktionieren, denn dann haben sie den Teil ihrer Intuition, der sie mit ihrer Seele verbindet verloren.
Wir führen täglich wundervolle Gespräche. Die mich aus dem „Alltagstrott“ raus holen.
„Ich geh mal kurz in den Keller Mehl holen.“ sage ich zum Großen. „Halt Mama stop, ich will auch mit.“ „ok ich warte auf dich“ und laufe schon einmal Richtung Treppenabgang. „Mama jetzt bist du schon wieder als erstes an der Treppe, warum ist das so? Immer gewinnst du!“ Hä, was soll ich darauf jetzt antworte, frage ich mich in meinen Gedanken. „Weißt du J., das ist so weil du nicht meine Gedanken lesen kannst. Wenn ich ein Baguette backen möchte, weiß ich dass ich dafür Mehl brauche, welches gestern leer gegangen ist und wir nun einen neuen Pack aus dem Keller holen müssen. Das sage ich dir erst während ich bereits los laufe und deshalb, bin ich einfach schneller am Treppenabgang weil ich meine Gedanken mit dir erst spät geteilt habe. Deshalb bin ich schneller. Das ist wie wenn ihr früher bei der Gummibärchenpackung seid weil ihr immer welche bekommt wenn wir raus gehen. Ich vergesse das ab und an aber ihr nicht und dann steht ihr da und sagt, Mama Gummibärchen.“
Es ist auch egal ob du das, was ich dir zu erklären versuche verstehst oder nicht aber du spürst, dass ich über deine Frage nachdenke und mir die Mühe gebe sie dir, so gut wie ich es nur irgendwie möglich machen kann, zu beantworten. Das ist alles. Das ist Beziehung auf Augenhöhe und ein achtsamer Umgang mit dem Alltag.
Deshalb nein, ich habe keine Angst vor der Zukunft und vor dem was da auf uns zukommen wird. Denn wenn ihr in 15 Jahren vor mir sitzt und mir sagt „ weißt du Mama , das damals hat mir richtig richtig weh getan. Warum nur hast du dir keine Hilfe geholt. Dann wäre vieles leichter gewesen.“ Vielleicht werde ich antworten „stimmt, da hast du Recht. Das war mir damals alles nicht so bewusst. Was genau hat dich so sehr verletzt. Magst du es mir erzählen?“ Und dann sitze ich da und höre dir mit meinem ganzen Herzen einfach nur zu. Werde still werden und mich für nichts rechtfertigen, denn für den Schmerz eines anderen Menschen gibt es keine Rechtfertigung. Denn er ist da, gerade jetzt wird er ersichtlich. In den Tränen meines Kindes steht er da und da kann ich nichts leugnen. Mein Kind hat dies damals so empfunden und ich konnte oder war nicht bereit hin zu schauen.
Aber jetzt, jetzt ist dies möglich. Jetzt hat mein Kind den Mut und den Entschluss gefasst mir endlich davon zu berichten, was er schon so lange mit sich in seinem Inneren herum trägt.
Das werde ich bewundern, auf das werde ich mich auch irgendwie freuen. Denn wir leben bereits emotional sehr nah zusammen aber diese Heilungsschritte werde nochmals etwas ermöglichen das unser Verstand niemals erfassen kann.
Ich werde meine Kinder für ihren Mut danken, sie in den Arm nehmen, vielleicht zusammen mit ihnen weinen und dann fragen, was ich heute für sie tun kann. Damit das Bedürfnis das damals nicht gestillt werden konnte heute Heilung findet.
Beziehung besteht immer aus Achtsamkeit, aus Bewusstsein und aus geben und nehmen. Wer nur gibt brennt aus, wer nur nimmt steht irgendwann alleine da. Aber ein wirkliches achtsames hinsehen, hinspüren, hinhören zuerst bei sich selbst und dann bei den Kindern ist unendlich wertvoll und heilsam zugleich. Wenn deine Kinder wissen, dass sie für dich unendlich wichtig sind und du es ihnen auch im Alltag durch Gesten und Umarmungen zeigen kannst, kann eigentlich überhaupt nichts passieren.