Was mir meine Gefühle sagen wollen

Was passiert in uns, wenn wir an eine emotionale Grenze geraten?

Schauen wir es uns zusammen einmal an.

Unser Garten wurde neu gemacht und auf unserem Hof liegt nun relativ viel Splitt. Aus diesem Grund verbot ich gestern meinem kleinen Sohn dort mit dem Laufrad zu fahren und zwar aus dem Grund, „dass ich in mir eine Grenze wahrnahm, indem mir meine Angst mit einem Hauch an Wut klar zu verstehen gab, dass ich nicht mehr die Kapazität habe meinen Sohn ruhig zu begleiten, falls er hinfallen und sich weh tun würde.“

Dieser Prozess findet mittlerweile, wenn ich bewusst genug bin, vorher in mir statt, damit ICH entscheiden kann wie ich handeln möchte. Wenn ich eine Grenze setze muss ich darauf gefasst sein, dass mein Gegenüber mit einem anderen Gefühl reagiert.

Bei Kindern ist es je nach eigener Kapazität entweder Akzeptanz oder Wut. Wut darüber nun das Bedürfnis nach Autonomie, eigenen Wünsche und Sehnsüchte nach Lust und Wunscherfüllung nicht verwirklichen zu können. Sondern eingeschränkt oder beschränkt zu werden und Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht zu erleben.

Bei Erwachsenen läuft dieser interne Prozess meist anders ab. Wir haben erlebt, dass wir mit unserer Wut nicht willkommen sind. Wurden alleine gelassen, beschämt, bestraft. Uns wurde gewaltvoll (nicht nur körperlich sondern besonders emotional, was ebenso schlimm ist) begegnet. So gewalt voll, dass wir niemals mehr wütend sein wollen um diesem Gefühl, diesem Schmerz nicht mehr zu begegnen.

Dann haben wir genau zwei Möglichkeit :

Es gibt die passiv aggressive Wut, die wir nach innen aufnehmen und daraus für uns eine Schlussfolgerung ziehen. Wir verhalten uns dieser Person, dann nicht mehr offen. Zeigen uns nicht mehr zugänglich, interessiert oder mitfühlend sondern gehen in eine distanzierte Haltung. Dabei begleiten uns Gedanken in unserem Kopf wie, „Das hat sie sich selbst zuzuschreiben. Dazu sage ich nun nichts. Wenn man so ist, muss man nun auch mal die andere Seite kennen lernen. Tja. Auf mich wollte sie ja nicht hören usw.“ Eine Art Schadenfreude oder Rückzug. Ich gehe nicht mehr hin. Ziehe mich plötzlich aus dem nichts zurück, damit kein Konflikt entsteht. Magenschmerzen, Migräne, Krank sein, Schleimhautentzündungen, Übersäuerung, Tumore können die Folge sein. (Unser Körper leidet)

Warum zeigen wir dieses Verhalten, weil wir innerlich eigentlich immer noch wütend sind. Dies aber nicht zum Ausdruck bringen dürfen, da ein kindlicher Anteil die Führung übernimmt und sagt „Wut ist lebensbedrohlich, dieses Gefühl gehört nicht zu uns.“ Wir bringen also durch unser Verhalten das zum Ausdruck was wir uns nicht trauen auszusprechen und genau das spürt der Mensch, der uns Gegenüber steht.

Eine weitere Möglichkeit wäre das autoaggressive System, welches dann zum Tragen kommt, wenn ich in meiner Kindheit solch eine Ohnmacht, Hilflosigkeit, Scham und Ekel erlebe, dass ich die Wut an meinem eigenen Körper auslasse indem ich mich selbst bestrafe. Da ich dies selbst erlebt habe, kann ich aus meiner eigenen Erfahrung berichten. Es entwickelt sich unglaublich viel Scham und Schuld für das Wesen das man selbst ist.

Bei dieser Art von Selbstbestrafung begleiten uns Gedanken wie „Ich bin selbst Schuld. Ich bin falsch. Mit mir stimmt etwas nicht. Wenn ich nur anders wäre. Weil du so bist deshalb….“

Die Energie die sozusagen im Körper frei gesetzt wird ist so intensiv, dass ich diese Gefühle nicht mehr halten konnte ich dadurch in die Magersucht rutschte oder mich selbst verletzen musste, damit der Druck in meinem inneren, in meiner Seele, weniger wurde und mein Nervensystem dadurch wieder in eine Balance fand.

Ich fiel aus dem Stress Toleranz Fenster und fand durch die Selbstverletzung wieder zurück in den Lebensfluss.

Und vielleicht oder sagen wir sehr wahrscheinlich deshalb, spüre ich solch eine innere Motivation darin diese Themen in die Welt zu tragen, damit andere Menschen, denen es ähnlich geht, sich nicht mehr allein, komisch, verlassen, minderwertig, krank oder was auch immer fühlen sondern, dass es dort draußen in dieser Welt so, so unglaublich viele Menschen gibt die ebenso mit ihren Gefühlen strugglen.

Die sich ebenso häufig in ihrer Wut, Angst und Ohnmacht wieder finden und das absolut ok ist. Das ist ok, weil dies ein Teil von dir ist. Ein Anteil, den du, wenn du ihn weg drückst oder abwertest, das erfährt, was bereits deine Eltern mit dir gemacht haben.

Dann passiert folgendes. Du beginnst dich zu schämen. Du beginnst dich für deine eigenen Gefühle, für deine eigene Wut und Angst zu schämen. Und je mehr du dich schämst umso mehr muss dein Schutz nach außen aufgebaut werden. Umso größer ist der Rückzug von den eigenen Gefühlen umso mehr Distanz kreierst du zu dir und deinem Leben.

Aber wie habe ich nun den Moment mit meinem Sohn gelöst?

Er wollte los und alleine zurück zum Spielplatz. Er war verletzt. Wütend, traurig und ohnmächtig. Ich ging in einen Kontakt indem ich ihn ansprach und erst einmal in die Knie ging um nicht bedrohlich auf ihn zu wirken, was aber sofort passiert wenn wir in einen Konflikt geraten und unser Stammhirn übernimmt. Dann wird alles von unserer Amygdala als bedrohlich wahrgenommen. Ich fing an mit ihm zu sprechen, dass ich sehe wie wütend und traurig er gerade ist. Dass er mit diesem Moment absolut nicht einverstanden ist und ich sehe wie schlimm sich dies gerade für ihn anfühlen muss. Während ich sprach, ging ich langsam auf ihn zu, mit einer Hand ausgestreckt, durch welche ich ihm signalisierte, dass ich bereit bin in einen Kontakt mit ihm zu treten. Natürlich schlug er erst einmal meine Hand weg. Riss mir meine Mütze vom Kopf und schrie mich an. Auf was ich nicht reagierte sondern so tat als ob nichts passiert wäre. Er kanalisierte sozusagen seine Wut, damit sie aus seinem Körper weichen konnte und bewahrte so die Integrität zu sich selbst, dass er mit dem was gerade passiert ist nicht einverstanden war.

„Ich gehe jetzt Mama. Ich gehe alleine oder ich gehe jetzt zu den Nachbarn in den Garten und dann bekomme ich schimpfe.“ er

„Warum möchtest du in den Garten gehen um dafür geschimpft zu werden?“ ich

„Hm, ich gehe in den Garten und will geschimpft werden.“ er

„Du willst in den Garten und geschimpft werden. Ok.“ ich.

Stille

„Willst du in den Garten und geschimpft werden, damit du weinen kannst? Damit du einen Grund hast um weinen zu dürfen?“

Kurzer Moment stille und dann

„Ja, ja“

Und in diesem Moment flossen die Tränen und er vergrub sich in meinen Armen.

Das ist Begegnung. Das ist Präsenz. Das ist Anwesenheit des Menschen der ich bin.

Nicht mein Film. Nicht meine Geschichte. Nicht meine Konditionierung sondern die volle Präsenz meiner Selbst.

Und auf diesem Weg bin ich noch immer, selbst nach all den Jahren.

Jeden Tag aufs neue. Der Weg, dass ich mich in mir selbst verliere. Mich wieder finde. Mich an der Hand nehme. Zurück führe und von neuem starte um mich zu dem Menschen zurück entwickeln zu können der ich einst einmal war bevor ich mich zurück zog, bevor ich mir selbst das Vertrauen in mich selbst und das Leben nahm. Indem ich nicht mehr mein Licht war sondern mich durch meine Erfahrungen als ein Mangelwesen abgetan habe, weil ich damals nichts von Trauma wusste. Ich wusste nichts von Bindungs und oder Entwicklungstrauma.

Aber jetzt weiß ich es und nun kann ich einen kleinen, winzigen, Miniteil dazu beitragen, das an mir wieder gut zu machen, was ich mir selbst durch mein Denken und mein Verhalten angetan habe.

Damit ich in den Glauben an mich selbst zurück komme.

Damit ich wieder in das Vertrauen für mich und in dieses Leben zurückfinde.

Und ich dadurch meinen Kindern einen anderen, eigenen Start ins Leben ermöglichen kann als ich und vermutlich viele Generationen vor mir nicht erleben durften.

Voller Dankbarkeit und Demut beende ich nun diesen Artikel.

Voller Trauer und Tränen über all den Schmerz der sich seit Generationen in unseren Familien befindet.

Für all die Gewalt die wir uns selbst und anderen antun.

Für jeden Menschen der einen kurzen Moment innehält und sich dann auf den Weg macht,

Auf den Weg in sein eigenes Leben.

Ich danke euch von Herzen

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